Wenn es zu einer Beißverletzung kommt, ist nicht immer nur der Hundehalter schuld. Unter bestimmten Umständen kann auch die verletzte Person die Schuld oder zumindest eine Mitschuld an dem Beißvorfall haben. Wann dies der Fall ist, erklärt WUFF-Rechtsexpertin Dr. Daniela Kuttner.
Hundehalter trifft für ihre Hunde eine Aufsichts- und Verwahrungspflicht. Wenn sie diese vernachlässigen und dadurch ein anderer Mensch verletzt oder geschädigt wird, so müssen sie die dadurch entstehenden Schäden begleichen. Allerdings kann die verletzte Person den Vorfall selbst auch allein verursacht oder zumindest mitverschuldet haben. Einen solchen Fall einer Mitverschuldung hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) im Jahre 2009 zu beurteilen.
Hundehalterin besucht Hundetrainer und wird gebissen
Die Klägerin war selbst Hundehalterin und Jägerin. Sie besuchte einen Hundetrainer, der eine gutmütige Hündin hielt, die gerade Welpen hatte. Die Hündin verhielt sich im Haus freundlich und war auch bisher unauffällig gewesen. Als die Dame die Welpen sehen wollte und mit dem Mann zu dem Zwinger in den Garten ging, lief die Hündin voraus in den Zwinger zu ihren Welpen. Die Klägerin stellte ihre Tasche neben der Zwingertür ab, wo sich bereits die Hündin befand. Ob die Dame sich dabei nur nach vorne beugte oder sich über die Hündin beugte, konnte nicht mehr festgestellt werden. Jedenfalls empfand die Hündin dies offensichtlich als bedrohlich und biss die Klägerin daraufhin ins Gesicht.
Hundetrainer hat Verwahrungspflicht verletzt
Die Bestimmung des §1320 ABGB besagt, dass, wenn jemand durch ein Tier verletzt wird, derjenige für die daraus entstehenden Schäden haftet, der das Tier zum Angriff angetrieben oder gereizt hat bzw. derjenige, der es nicht ordentlich verwahrt hat. Fest stand für den OGH im vorliegenden Fall, dass der Beklagte gegen seine Verwahrungspflicht als Hundehalter verstoßen hatte. Er hätte die Hündin halten müssen bzw. zumindest im Vorfeld eine Warnung aussprechen müssen. Gebissene Klägerin trifft auch eine Mitschuld an dem Beißvorfall Ein Mitverschulden der Klägerin wurde vom OGH aber ebenfalls bejaht, weil sie dermaßen sorglos agierte, obwohl ihr klar gewesen sein müsste, dass eine welpenführende Hündin eine besondere Gefahr darstellt. In zwei vorhergehenden Entscheidungen des OGH (3Ob133/08t und 1Ob609/94), auf die sich die Klägerin im Zivilverfahren berief und ihr Verhalten damit rechtfertigen wollte, hatte ein Senat des OGH deshalb ein Mitverschulden der gebissenen Personen verneint, weil eine Ausnahmesituation vorlag, in der die Geschädigten jeweils sich selbst, ihren eigenen Hund oder ihr Eigentum zu verteidigen hatten. Im vorliegenden Fall hingegen hatte die Klägerin genügend Zeit zu überlegtem Handeln und hat sich nach Auffassung des OGH-Senats unvorsichtig verhalten, sodass der OGH ein Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB in ihrem Verhalten sah. Für die Klägerin bedeutete dies, dass sie nicht den gesamten Schaden, der ihr widerfahren ist, ersetzt erhält. Eine allgemeine Regel kann nach der Auffassung des OGH daraus aber nicht abgeleitet werden, denn es ist immer der jeweilige Einzelfall zu betrachten.
Man muss es auch behaupten
Hinzuweisen ist noch darauf, dass nicht von Amts wegen vom Zivilgericht in einem Zivilverfahren geprüft wird, ob ein Mitverschulden der klagenden Partei vorliegt oder nicht, sondern nur dann, wenn es im Zivilverfahren von der beklagten Partei auch ausdrücklich behauptet wird. Und dies auch möglichst bereits zu Verfahrensbeginn, um den Bestimmungen der Zivilprozessordnung zu entsprechen. Lassen Sie sich von Ihrem Rechtsanwalt vor Einlassung in ein Verfahren beraten, holen Sie sich Tipps.