Passiert es doch einmal, dass der Hund zugebissen hat, kann das nicht nur verwaltungsrechtliche und strafrechtliche, sondern auch zivilrechtliche Konsequenzen haben.
Zivilrechtlich geht es um die Frage, ob und wie viel der Geschädigte vom Hundehalter bzw. dessen Haftpflichtversicherung für seine Verletzung bezahlt bekommt. Der Abschluss einer Hundehaftpflichtversicherung ist daher jedenfalls empfehlenswert, weil diese nicht nur die Aufgabe hat, berechtigte Ansprüche der Geschädigten zu bezahlen, sondern auch bei unberechtigten Ansprüchen Abwehrdeckung gibt. Dies bedeutet, dass die Versicherung im Falle einer Klage dann auch den Anwalt des Hundehalters und die Prozesskosten bezahlt, wenn der Prozess doch nicht erfolgreich ausgeht.
Oft ist es nämlich gar nicht so einfach zu sagen, ob der Geschädigte etwas bekommt. Es ist immer der Einzelfall zu betrachten, ob die Voraussetzungen für eine Haftung erfüllt sind. Die Gerichte und auch der OGH (Oberster Gerichtshof in Österreich mit Sitz in Wien) haben sich mit dieser Problematik immer öfter auseinanderzusetzen. Im Folgenden sei anhand von höchstgerichtlichen Entscheidungen gezeigt, wie einzelfallbezogen die Rechtsprechung hier ist.
Haftung in allen Instanzen abgelehnt
Die Haftung verneint und somit das Begehren einer in einem Gasthaus gebissenen Person auf eine Zahlung (Klägerin) abgewiesen hat der OGH beispielsweise in einer aktuellen Entscheidung (6 Ob 64/18g). In diesem Fall blieb offen, unter welchen genauen Umständen der Hundebiss zustande kam.
Zwei Varianten erschienen möglich:
a) Der Hund des beklagten Halters biss die Klägerin, nachdem sie ihm ein »Leckerli« gegeben hatte und die Hand wieder wegnahm.
In der zweiten Variante b) biss der Hund erst, als sich die Klägerin einige Minuten später bückte, um neben dem Hund etwas auf dem Boden Liegendes aufzuheben, dabei mit der Hand in Richtung des Hundes gelangte und ihn berührte.
Klar war jedenfalls aber, dass der Hund auf dem Boden des Gastraums seitlich neben den Füßen des beklagten Hundehalters, der an einem Tisch Platz genommen hatte, lag. Der Hund wurde vom Erstgericht auch als folgsam und Befehlen gehorchend beschrieben. Die Klägerin war damit einverstanden gewesen, dass der Hund unangeleint geblieben war. Der OGH bestätigte, dass der Hundehalter nicht für den Biss haftet. Der OGH bezog sich dabei auf die bisherige Rechtsprechung, wonach die Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB keine Erfolgshaftung sein darf und auch nicht überspannt werden darf. Die Auffassung der Vorinstanzen, den Beklagten treffe in beiden Fallkonstellationen kein haftungsbegründendes Verschulden, sei durchaus vertretbar.
Erfolgte der Biss in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verabreichung des Leckerlis (Möglichkeit a), hat sich die Klägerin selbst in die Gefahrensituation gebracht; es wurde auch nicht festgestellt, dass der Hund bereits zuvor Menschen in einer solchen Situation gebissen hätte. Berührte sie den Hund jedoch im Zuge des Aufhebens eines Gegenstands vom Boden und erschreckte ihn damit (Möglichkeit b), so war dies für den Beklagten unvorhersehbar; dass sich der Hund an der konkreten Stelle befand, war der Klägerin aber bekannt, hatte sie ihm doch einige Minuten zuvor das »Leckerli« gegeben. Der beklagte Hundehalter hätte den Vorfall in der letztgenannten Konstellation nur dadurch verhindert können, dass er dem Hund einen Maulkorb anlegt. Dies erscheint jedoch zum einen eher unüblich, zum anderen war ja der Klägerin bekannt, dass der Hund keinen Maulkorb trug, womit sie offensichtlich auch einverstanden gewesen war. Insgesamt war daher die Haftung für diesen Biss zu verneinen.
Mitverschulden
Es gibt aber auch Fälle, in denen neben der Haftung des Hundehalters auch ein Mitverschulden der geschädigten Person zum Tragen kam, so beispielsweise in der Entscheidung 4Ob170/09t. Dieser Entscheidung lag zu Grunde, dass die Klägerin den beklagten Hundehalter in dessen Haus besuchte, um unentgeltlich Ratschläge für den Umgang mit ihrem eigenen Hund einzuholen. Der Beklagte verfügt über mehrjährige Erfahrung mit Hunden, besitzt einen Gewerbeschein für deren Ausbildung und arbeitet auch als Tiertrainer. Beim Gespräch im Wohnzimmer des Beklagten war auch dessen Rassehündin anwesend, die eine Woche zuvor erstmals Welpen geworfen hatte. Sie galt bis dahin als sehr belastbare, wesensfeste und freundliche Hündin, die keinerlei aggressives Verhalten zeigte, problemlos mit anderen Hunden auskam und sich auch in Gegenwart mehrerer Personen, etwa in einem Gasthaus, völlig ruhig verhielt. Sie hatte noch nie jemanden gebissen.
Auch der Klägerin gegenüber verhielt sie sich zunächst freundlich, obwohl sie sie nicht kannte. Man ging dann in den Garten zum Hundezwinger, wo sich die Welpen befanden. Die Klägerin blieb unmittelbar vor der Zwingertür stehen und stellte dort ihre Handtasche rechts außen auf dem Boden ab, wobei sie sich leicht nach vorne bückte. Dabei fiel die Hündin sie an und biss sie in die rechte Gesichtshälfte. Die Klägerin forderte Schmerzensgeld, Verunstaltungsentschädigung sowie Behandlungskosten. Der beklagte Hundehalter wendete ein, die Klägerin habe sich in der räumlichen Enge der Zwingertür mit einer raschen Bewegung in den Zwinger hinein über die Hündin gebeugt, wobei sie mit dem Oberkörper jedenfalls im Zwinger gewesen sei. Dies habe für die Hündin bedrohlich gewirkt, worauf diese nach der Klägerin geschnappt habe. Ein haftungsbegründendes Verschulden des Beklagten oder eine schuldhaft nachlässige Verwahrung der Hündin liege nicht vor. Die Klägerin treffe ein hohes Ausmaß an Mitverschulden, weil sie selbst Hundehalterin und Hundekennerin sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt, verurteilte den Hundehalter also zur Zahlung der eingeklagten Beträge. Das Berufungsgericht hingegen änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Schadenersatzpflicht des beklagten Hundehalters unter Berücksichtigung eines 25%-igen Mitverschuldens der Klägerin auf dreiviertel des geltend gemachten Ersatzbetrags reduzierte. Der Klägerin als Hundehalterin habe bewusst sein müssen, dass Hündinnen mit Welpen einen ausgeprägten Bewachungs- und Beschützerinstinkt zeigten und es daher nicht ungefährlich sei, sich fremden Welpen im Beisein ihrer Mutter zu nähern. Daraus, dass sie der Beklagte nicht gewarnt habe, habe sie daher – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – noch nicht verlässlich schließen dürfen, dass selbst bei Betreten des Zwingers keine Gefahr für sie bestehen würde. Sie hätte den Beklagten fragen müssen, ob ihr die Annäherung an den offenen Zwinger gefahrlos möglich sei. Dass sie dem Beklagten einfach bis vor die offene Zwingertür gefolgt sei und ihre Handtasche dort auf den Boden gestellt habe, begründe daher eine Sorglosigkeit gegenüber ihren eigenen Gütern, die gemäß § 1304 ABGB zu einer Schadensteilung führen müsse. Der Sorgfaltsverstoß des beklagten Hundehalters wiege jedoch erheblich schwerer als jener der Klägerin, sodass eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 3:1 zu ihren Gunsten angemessen sei.
Diese Entscheidung bestätigte auch der OGH unter Verweis darauf, dass Bestehen und Ausmaß des Mitverschuldens eines Geschädigten im Sinn der Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist und stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist.
Den »Freibiss« gibt es nicht!
Den sogenannten Freibiss gibt es übrigens nicht, dies hat der OGH in seiner Entscheidung 8 Ob 592/92 aus dem Jahr 1992 ausdrücklich festgehalten. In diesem Fall hatte ein etwa zehn Jahre alter Dackel-Spaniel-Mischlingsrüde, der als gutmütig galt, ein vierjähriges Mädchen am rechten Auge gebissen und schwer verletzt. Der OGH führte dazu aus: »Die in der Allgemeinheit weitverbreitete Auffassung, das erste, nicht der Erfahrung entsprechende Fehlverhalten eines Hundes (Erstbiss) sei für seinen Halter ohne haftungsrechtliche Folgen (Freibiss), kann vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt werden; die richtige Folgerung aus einem solchen Verhalten des Tieres (Erstbiss) ist vielmehr, dass den Halter künftig eine gesteigerte Sorgfalt bei der Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres trifft.«
Es kommt darauf an …
In meiner anwaltlichen Praxis kommt es ständig zu Fällen wie die vorhin geschilderten und da jeder konkrete Fall dann doch wieder anders gelagert ist, kommt es auch immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen. So ist immer auch zu berücksichtigen, ob sich die beteiligten Personen schon mit Hunden auskennen oder nicht. Ein in der (gerichtlichen) Praxis immer wieder heißes Thema ist natürlich auch die Beweisbarkeit der konkreten Geschehnisse und des Ablaufs. Die Aussage »Das hat er noch nie getan« ist jedenfalls vor Gericht deutlich zu wenig.
Fälle aus der Praxis
Einer Entscheidung des Bezirksgerichtes St. Pölten (die meisten Fälle kommen gar nicht bis vor den Obersten Gerichtshof und werden rechtskräftig in erster oder zweiter Instanz entschieden) lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Schäferhund des Beklagten war im Kofferraum verwahrt. Als der Beklagte die Heckklappe öffnete und ihn anleinen wollte, entriss sich das Tier, suchte das Weite und reagierte in keiner Weise mehr auf die Zurufe des Hundehalters. Die Klägerin war joggen und begegnete dem suchenden Beklagten. Nachdem die Klägerin zu Hause angekommen war, wollte sie noch mit ihrem eigenen, rund 6-7 Kilo schweren Hund spazieren gehen. Sie hatte ihren Hund an der Leine, verließ das Wohnhaus und bemerkte im rückwärtigen Innenhof den Schäferhund des Beklagten, welcher plötzlich die Zähne fletschte und in drohender Weise auf die junge Frau bzw. ihren kleinen Hund, ebenfalls ein Rüde, zulief.
In der (wohl richtigen) Annahme, der Schäferrüde werde sich auf den körperlich weit unterlegenen Hund stürzen, versuchte die Klägerin ihren Hund zu schützen und riss ihn schnell hoch. Der Schäferhund wollte sich sein »Spielzeug« bzw. seine »Beute« jedoch nicht so leicht nehmen lassen und begann an der Klägerin hochzuspringen. Der Klägerin war es trotz Rufen nicht möglich, diesen Angriff abzuwehren und sie streckte ihre Arme mit dem kleinen Hund nach oben. In seinen mehrfachen Versuchen, den kleinen Hund zu erwischen, fügte der Schäferhund der Klägerin während des 5–10 Minuten dauernden Angriffes zahlreiche Verletzungen zu. Als der Schäferhund kurz von ihr abließ, gelang es ihr schließlich ins Haus zu kommen.
In diesem Zivilprozess erhielt die Klägerin einen Zuspruch von Schmerzensgeld im Sinne einer Abgeltung sämtlicher Schmerzempfindungen körperlicher und seelischer Art, auch unter Berücksichtigung der psychischen Belastung durch die kosmetisch störenden Narben, von insgesamt rund 5.700 Euro. Dazu kam der Ersatz der beschädigten Kleidung, Medikamentenkosten, Kosten der Psychotherapie und Fahrtkosten und natürlich die Tragung der Gerichts- und Anwaltskosten durch den Beklagten.
Ebenfalls positiv ging ein Prozess (6 Ob 142/16z) für einen Mann aus, der vom achtjährigen Mischlingshund mit Namen Waldi gebissen wurde. Waldi hatte zuvor noch nie jemanden gebissen und ging, wenn jemand aus dem Haus ging, mit diesem mit. Auch an dem klagsgegenständlichen Tag öffnete einer der beiden Beklagten die Haustür, um Holz ins Haus zu tragen. Der Hund lief aus dem Haus Richtung Straße. Der Zweitbeklagte (Hundehalter) rief dem Hund nach, der aber nicht stehen blieb. Waldi rannte unmittelbar vor einem herannahenden Auto auf die Straße, welches nicht mehr rechtzeitig anhalten konnte, sodass es leider zur Kollision kam. Der Hund wurde bei dem Unfall schwer verletzt und erlitt eine Querschnittlähmung der hinteren beiden Beine, sodass er sich nur mehr robbend mit beiden Vorderbeinen fortbewegen konnte.
Der Hund schleppte sich Richtung Gehsteig und kam dort an der Gehsteigkante zur Ruhe. Er machte danach einen ruhigen Eindruck und bellte auch nicht. Der Kläger hatte sein Fahrzeug einige Meter hinter dem Fahrzeug, welches den Unfall verursacht hatte, angehalten und stieg aus um zum Unfallfahrzeug zu gehen. Der Kläger hatte den Unfall und das Geschehen beobachtet und auch gesehen, dass sich der Hund dorthin begeben hatte. Als der Kläger entlang des Gehsteiges, an dem verletzten Hund vorbeiging, beachtete er diesen nicht und hielt auch keinen Sicherheitsabstand ein. Waldi schnappte nach ihm und biss ihn in die linke Hand.
Das Höchstgericht hatte die Frage zu beantworten, ob eine durch unmittelbare Annäherung an einen im Zuge eines Verkehrsunfalles schwer verletzten Hund verursachte Bissverletzung noch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Verletzung der Verwahrungspflicht des Hundehalters stehe. Der OGH hat zusammengefasst ausgeführt, dass der Umstand, dass Hunde plötzlich auf offener Straße auftauchen und Verkehrsunfälle verursachen können, eine anerkannte Gefahr sei. Der Schutzzweck des § 1320 ABGB, erfasse aber auch die Vermeidung solcher Schäden, die durch andere Personen als Teilnehmer des Fließverkehrs entstehen, sofern sie bei gehöriger Verwahrung unterblieben wären, selbst wenn ein objektiv vorhersehbares Verhalten des Tieres vorliegt. Im vorliegenden Fall sei der Kläger auf der Straße entsprechend den Bestimmungen der StVO (Straßenverkehrsordnung) auf dem Gehsteig unterwegs gewesen um den Lenker des Unfallfahrzeuges zu ersuchen, die Straße zu räumen. Der OGH hat ein Mitverschulden des Klägers verneint, da seiner Ansicht nach, unter der Berücksichtigung, dass der Hund schon mehrfach auf die Straße gelaufen war und es sich um eine stark befahrene Straße handelte, eine allfällige Sorglosigkeit des Klägers gegenüber der mangelhaften Verwahrung des Hundes durch die Beklagten zu vernachlässigen sei, zumal der Hund ruhig am Straßenrand lag.
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