Die Kastration des Hundes – Eine juristische Betrachtung

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Die Kastration des Hundes ist stets ein heißes Thema in Hundehalterkreisen. Und doch kennen viele den rechtlichen Hintergrund gar nicht. Die Rechtsanwältin und Bloggerin Susan Beaucamp – spezialisiert auf „Tierrecht“ – fasst in diesem interessanten Beitrag die rechtliche Situation zum Thema Kastration zusammen.

Die Kastration ist die operative Entfernung der Keimdrüsen des Hundes. Beim Rüden werden hierbei die Hoden, bei der Hündin die Eierstöcke, teilweise zudem die Gebärmutter entfernt. Beide Geschlechter verlieren durch die Kastration ihre Fortpflanzungsfähigkeit. Die Kastration ist nicht zu verwechseln mit der Sterilisation. Bei der Kastration handelt es sich folglich um die Entfernung von Organen. Dies ist gem. § 6 Abs. 1 S. 1 TierSchG bei Wirbeltieren, zu welchen auch der Hund zählt, grundsätzlich verboten. § 6 Abs.1 S. 2 TierSchG sieht allerdings einige Ausnahmen dieses Verbotes vor, von denen drei dem Wortlaut nach bei der Kastration des Hundes einschlägig sein können:

1. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 lit. a: bei ­gebotener tierärztlicher Indikation
2. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Alt. 1: zur Verhinderung unkontrollierter Fortpflanzung
3. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Alt. 2: zur weiteren Nutzung und Haltung des Tieres

Im Folgenden werden die Bedeutung dieser Ausnahmen und deren Grenzen erläutert:

I. Bedeutung der Ausnahmeregelungen
1. Von gebotener tierärztlicher Indika­tion i.S.d. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG spricht man, wenn ein medizinischer Grund zur Entfernung der Organe vorliegt. Ein solcher Grund ist ge­geben, wenn bestimmte tierärztliche Maßnahmen sinnvoll erscheinen, um Leiden, Schaden oder Schmerzen von Tieren abzuwenden (so: ­Hartung, in: Hans-Georg Kluge (Hrsg.), ­TierSchG, Kommentar, Stuttgart 2002, § 6 Rn 3).

Die Definition reicht weit. Gemeint sind nicht nur Gründe, bei denen eine medizinische Maßnahme zwingend erforderlich ist, wie beispielsweise Tumorerkrankungen. Zur tierärztlichen Indikation in diesem Sinne zählen auch relative Indikationen, bei denen sinnvolle Alternativmaßnahmen in Betracht kommen, so auch bei hormonell be­dingten Verhaltensauffälligkeiten.
Die medizinische Indikation ist zudem nicht auf Krankheitsfälle beschränkt, sondern kann sich auf weitere medizinische Gründe erstrecken, wie z.B. den Ausschluss von der Zucht aufgrund eines Erbfehlers.

2. Gem. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Alt 1 TierSchG kann die Kastration eines Hundes zur Verhinderung unkontrollierter Fortpflanzung erlaubt sein.
Hierzu muss es aus Gründen des Tierschutzes, des Naturschutzes, des Jagdschutzes und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich sein, die unkontrollierte Fortpflanzung des Tieres einzuschränken (BT-Drucks. 13/7015 S.18). Ich werde zu diesem Thema noch einmal gesondert schreiben, da gerade der „Tierschutz“ glaubt, sich bei seinen pauschalen Kastrationen von Hunden auf diese Ausnahmeregelung stützen zu können.
Zuletzt könnte die Kastration eines Hundes nach § § Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Alt. 2 TierSchG erlaubt sein. Dies wäre der Fall, wenn die Kastration des Hundes zu dessen weiterer Nutzung und Haltung vorgenommen wird. Die Ausnahmeregelung zielt in erster Linie auf die Arbeitswilligkeit, Mastfähigkeit und Fleischqualität von Nutztieren.

II. Grenzen der Ausnahmeregelung
Wie oben gezeigt, gibt es Ausnahme­regelungen, nach denen die Kastration des Hundes erlaubt sein könnte. Hierbei ist allerdings § 1 S. 2 TierSchG zu beachten. Danach darf keinem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.
Bei der Kastration wird dem Tier ein irreversibler Schaden, nämlich der endgültige Verlust seiner Fruchtbarkeit, zugefügt. Bei der operativen Entfernung empfindet der Hund zudem Wundschmerzen und ist leidensfähig. Und wenn man sich einmal mit den aktuellen Studien zur Kastration auseinandergesetzt hat, so z.B. in „Kastration und Verhalten des Hundes“, Gansloßer und Strodtbeck, dann weiß man, was die Kastration einem Hund „antun“ kann. Die möglichen Nebenwirkungen der Kastration, insbesondere der Frühkastration gehen weit über ­Gewichtszunahme, Inkontinenz und Fellveränderung hinaus.

Folglich muss bei allen Ausnahme­regelungen i.S.d. § 6 Abs. 1 S.2 TierSchG beachtet werden, dass die Kastration des Tieres nur erlaubt ist, sofern hierfür ein vernünftiger Grund vorliegt.
Fraglich ist nun, wann ein vernünftiger Grund i.S.d. § 1 S. 2 TierSchG gegeben ist. Vernünftig ist der Grund, wenn gewichtige menschliche Interessen vorliegen, zu deren Durchsetzung das Wohl der Tiere zurücktreten muss. Da der Gesetzgeber durch § 1 S. 1 TierSchG allerdings auch das Wohlbefinden des Tieres als schützenswert einstuft, kann nicht jedes übergeordnete ­menschliche Interesse gleich eine vernünftige Begründung darstellen. Vielmehr ist eine Abwägung zwischen dem Schutz des Lebens und Wohlbefindens des Tieres einerseits, sowie der gegenläufigen Belange des Menschen andererseits vorzunehmen.

Beispiel
Häufig angeführte Gründe der Hunde­halter für eine Kastration sind ausgeglichenes Verhalten, stressfreiere ­Kommunikation zu Artgenossen, ver­besserte Kooperation, verminderte ­Aggressivität und Haltungserleichterung. Bei diesen und ähnlichen ­Begründungen äußert der Hundehalter allein sein menschliches Interesse an größtmöglicher „Bequemlichkeit“. ­Dagegen steht das „Recht“ des Hundes auf körperliche Integrität.

Wendet man oben genannte Ausführungen auf dieses Beispiel an, so kommt man zu dem Ergebnis, dass aus ­ethischer Sicht das „Recht“ des Hundes an seiner körperlichen Integrität das Interesse des Halters überwiegen sollte. Dem Hundehalter, der sich einen Hund aus reiner Liebhaberei anschafft, sind alternative Maßnahmen größten­teils zumutbar, da solche Anstrengun­gen vor dem Kauf eines Hundes kalkuliert werden können und mit dem Bedürfnis der Hundehaltung einher­gehen.

Alternative Maßnahmen sind vor allem die artgerechte Erziehung seines Hundes und äußerst „achtsam“ mit seiner Fortpflanzungsfähigkeit umzugehen. Ja, auch Hundehaltung ist anstrengend und nicht immer bequem.

Die Kastration eines Hundes ist somit nach der Einschränkung aller Ausnahmenormen des § 6 Abs. 1 S. 2 TierSchG bei der üblichen Tierhaltung in Deutschland nur in ganz wenigen Fällen erlaubt. Dies sollte jedem Hundehalter (auch jedem Tierarzt) bewusst sein.

Wer ist Susan Beauchamp

Seit 1990 als Rechtsanwältin tätig, habe ich mich auf das „Tierrecht“ spezialisiert. Ich berate bundesweit. Ich bin Hundehalterin, aktuell begleiten mich zwei Hündinnen aus dem Tierschutz ,Pina und Zoé. Schwerpunkt meiner Arbeit sind die massiv zunehmenden Ordnungsverfügungen gegenüber Hundehaltern im Bereich der jeweiligen Landeshundegesetze. Darüber hinaus erstelle und prüfe ich Kaufverträge zwischen Züchtern und Welpenkäufern und berate bei gewährleistungsrechtlichen Ansprüchen. Ich betreue Strafverfahren nach Hundebissverletzungen und Tierarztregresse.
Blog: https://www.kanzlei-sbeaucamp.de/blog/

Wir beginnen ein paar Sätze, die Susan Beaucamp vervollständigt:

Mit meinen Hunden mache ich am liebsten … ausgiebige Wanderungen.
Mein tollstes Erlebnis mit meinen Hunden war …, ich erlebe tatsächlich jeden Tag kleine wunderbare Momente mit meinen Hunden.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte …, würde ich mir wünschen, dass meine kleine Hündin Pina, die sehr schwer an Leishmaniose erkrankt ist, gesund werden würde.

An Hunden fasziniert mich …, ihre Bereitschaft, sich auf uns Menschen einzulassen, ihre unendliche Treue und ihre Intelligenz, wenn es darum geht, Strategien zu entwickeln.

An anderen Hundehaltern ärgert mich am meisten …, die Ignoranz, insbesondere was die ­Kommunikation und die Bedürfnisse ihrer Hunde betrifft, die fehlende Bereitschaft sich fortzubilden, um zu verstehen, wie komplex das Wesen Hund ist.

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Seit 1990 als Rechtsanwältin bundesweit tätig und auf das „Tierrecht“ spezialisiert. Die Hundehalterin Susan Beaucamp begleiten aktuell zwei Hündinnen aus dem Tierschutz, Pina und Zoé. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind die massiv zunehmenden Ordnungsverfügungen gegenüber Hundehaltern im Bereich der jeweiligen Landeshundegesetze. Darüber hinaus erstellt und prüft sie Kaufverträge zwischen Züchtern und Welpenkäufern und berät bei gewährleistungsrechtlichen Ansprüchen. Auch Strafverfahren nach Hundebissverletzungen und Tierarztregresse betreut sie. www.kanzlei-sbeaucamp.de

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