Bei mir wars auch so dass Weihnachtsabend der einzige friedlich heile Tag im Jahr war.
Weil meine Mutter das so wollte. Das ganze Jahr über war nur Streit und Gehässigkeit, aber am Weihnachtsabend war Streit streng verboten. Alles Friede Freude Kekse. Mein Vater hat Baum geschmückt (wunderschön), meine Mutter hat Weihnachtsessen gemacht (und sie hat sehr gut gekocht), und die Kinder waren irgendwo im Haus wo sie nicht im Weg waren. Wo ich da genau war kann ich mich gar nicht erinnern. Nur wie dann die Wohnzimmertüre aufgemacht wurde und drinnen der wunderschöne Baum im Kerzenlicht, alles ergriffen und alle lieb.
Weil das halt die einzige wirklich schöne Familienleben-Erinnerung war, hab ich die lange hoch und heilig gehalten. Hab mich darauf konzentriert und den ganzen übrigen beschissenen Mist so gut wie möglich verdrängt. Was ja auch nicht ewig gut geht, dieses immer auf schöne Fassade machen.
Jedenfalls hab ich dann eine jahrelange Therapie gemacht um das aufzuarbeiten, und da hab ich erst so richtig gemerkt wie verrückt und verdreht das alles war. Kann man ohne die Begleitung einer Therapeutin gar nicht aushalten, das so zu sehen wie es wirklich war. All die Lügen und all die Herzlosigkeit und Missachtung. Und wie man selber als Kind all die eigenen Gefühle verleugnen musste und da mitspielen musste, um zu überleben. In der Therapie hab ich dann wieder zu mir selber gefunden, das was ich selbst bin, was ich selbst fühle und will...
Jedenfalls hab ich dann eine andere Einstellung zu Weihnachten gehabt. Ja für viele ist es schön, das ist auch okay, und manchmal mag ich auch was davon. Aber mit der Zeit mag ich halt immer weniger davon. Viel wichtiger ist mir, dass ich in meinem Inneren den Frieden und die Sicherheit hab, die ich als Kind nie hatte. Ich weiß wer ich bin, und wo ich stehe. Ich weiß dass ich alles so machen kann wie ich mag - und ob viel oder wenig, es ist gut so wie es ist. Ich muss niemanden mehr zufrieden stellen.
Ich darf das sein, was ich bin.