Ein Blick hinter die Kulissen
Es geht um eine humorvolle Geschichte über jemanden, der NICHT in den Urlaub fahren möchte. Dieser Jemand war allerdings ein Hund – Watson. Aus einer Idee für eine schöne Geschichte wurde eine interessante Kooperation mit dem Tierschutzhunde-
Vermittlungsportal Tierheimhelden.
Als ich im März 2017 die Kurzgeschichten-Ausschreibung des Hybrid Verlags in Homburg zum Thema Urlaub im Internet entdeckte, war mir sofort klar, dass ich daran teilnehmen wollte. Eine humorvolle Geschichte sollte es werden, am besten über jemanden, der NICHT in den Urlaub fahren möchte. Aber das macht doch jeder gern. Oder etwa nicht? Die meisten Menschen, die ich kenne, schon, aber was ist mit ihren Tieren? Mir kam sofort ein Hund in den Sinn. Eine enge Transportbox blitzte vor meinem geistigen Auge auf, lange Autoschlangen, die sich bei Gluthitze über den Asphalt einer Autobahn gen Süden quälen und ein Tierarzt, der einem Vierbeiner vorab eine Impfung verpasst. Ich weiß, dass es Hunde gibt, die sehr gerne Auto fahren, aber auch andere, die das nicht tun, und für einen solchen wäre eine stundenlange Fahrt in den Sommerurlaub sicher kein Anlass zur Freude.
Die Idee war geboren und am nächsten Tag setzte ich mich hin und schrieb die Kurzgeschichte. Ich nannte sie „Urlaub? Nein, danke!“. Um dem Ganzen noch etwas mehr Pfiff zu verleihen, schrieb ich die Geschichte aus der Sicht des Hundes als Ich-Erzähler ohne zunächst zu erwähnen, um wen es sich handelt. Zwar waren einige Aussagen des Protagonisten ziemlich verrückt, sofern der geneigte Leser wie geplant von einem menschlichen Berichterstatter ausging, aber meine Testleser gingen mir allesamt „auf den Leim“. Erst auf Seite vier klärte sich dann für jedermann auf, dass Watson, ein Mischlingsrüde, derjenige war, der aus den oben genannten Gründen NICHT verreisen wollte. Im Laufe der Handlung versucht der „Appenzeller Schnaubrador“ deshalb auch, die Pläne seiner zweibeinigen Mitbewohner Tom und Kati zu sabotieren.
So versenkt er zum Beispiel den Impfpass im Spülbecken, in dem sein Herrchen nach dem Essen die Lasagne-Form einweicht, und zerfetzt in einer arbeitsreichen Nacht alle im Wohnzimmer befindlichen Urlaubsprospekte. Dass das nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, bewies der Bericht einer großen deutschen Boulevardzeitung im Juli 2018, in dem wir lesen konnten, dass eine britische Hündin unlängst die Reisepässe ihrer Familie zerfetzte und somit der geplante Urlaub auf Mallorca ins Wasser fiel.
Die Handlung von Watsons Welt entsprang indes komplett meiner Fantasie und eigentlich geht es eher darum, unsere menschlichen Eigenarten zu entlarven. Obwohl Watson der Ich-Erzähler und Hauptprotagonist ist, tritt er immer wieder als passiver Beobachter einen Schritt zur Seite und gibt die Sicht auf sein menschliches Rudel frei. Aus dieser Perspektive hinterfragt er uns Zweibeiner, unser Verhalten sowie manche unlogische Redensart und hält uns damit den Spiegel vor. Natürlich handelt es sich weder um ein Fach-, noch ein Sachbuch, sondern lediglich um einen „tierisch humorvollen“ Roman. Der fiktive Watson – mein erfundener Appenzeller-Schnauzer-Labrador-Mischling – hat aber ein reales Vorbild: Als mein Mann und ich vor knapp zwanzig Jahren innerhalb Freiburgs umzogen, hatten unsere neuen Nachbarn eine junge Hündin namens Lia, die eine ebensolche Ahnentafel aufwies wie Watson. Die kreative „Rassebezeichnung“ des Appenzeller Schnaubradors stammt von ihren Haltern und brachte uns schon damals zum Schmunzeln. Komplett schwarz war Lia mit einer teilweise weißen Brust und sehr anhänglich. Da wir zeitgleich mit ihrer Familie in den Neubau zogen und sie noch ein Welpe war, als wir sie kennenlernten, gehörten wir bald zu ihrem erweiterten Rudel. Nie werden wir vergessen, wie sie im Sommer geduckt durch die noch jungen Hecken schlich und flach auf dem Boden liegend in unseren Garten robbte, um uns zu besuchen: Immer darauf bedacht, nicht ertappt zu werden. Nur um dann mit hängendem Kopf wieder zurück zu trotten, wenn ihr Herrchen sie energisch zur Ordnung rief. Natürlich probierte sie es gleich darauf erneut.
Als ich Jahre später und nach mehreren Umzügen von Süd- nach Norddeutschland und wieder zurück eine Geschichte über einen Hund schreiben wollte, war sofort klar, dass er so sein müsse wie Lia. Ich entschied mich allerdings für einen Rüden und frecher als die treue Hundedame musste er auch sein, damit mehr Witz in die Geschichte kam.
Die Kurzgeschichte fand ihren Weg in die Sommer-Anthologie des Hybrid Verlags und wurde im Juli 2017 veröffentlicht. In den Wochen davor, als ich zusammen mit meinem Lektor am Feinschliff des Textes arbeitete, wurde mir klar, wie sehr Watson mir in der Zwischenzeit ans Herz gewachsen war und wie viel Potential seine Figur barg. Die Vorstellung, mich nach Veröffentlichung der Anthologie für immer von ihm zu verabschieden, gefiel mir gar nicht und so kontaktierte ich den Hybrid Verlag mit der Idee, aus der Kurzgeschichte einen Roman zu machen. Nachdem ich die Zusage hatte, schrieb ich drauf los. Beginnend mit „Urlaub? Nein, danke!“ als Einstieg und erstes Kapitel erfand ich Erlebnisse rund um das Jahr und schilderte die Ferien, aber auch den Alltag von Tom, Kati und ihrem Vierbeiner. In nur gut sechs Wochen waren die ungefähr 240 Seiten verteilt auf 20 Kapitel fertig und gingen an den Verlag.
Nach einiger Wartezeit und Vertragsabschluss startete das Jahr 2018 ganz im Geiste von Watson. Wie der Zufall es wollte, bekam ich zwei Lektorinnen, die beide eine besondere Beziehung zu Hunden haben. Die erste – Ela Marwich -, die das Korrektorat und Detaillektorat für Watsons Welt übernahm, ist stolze Besitzerin von Brandy und Max. Beide Fellnasen hatten als Straßenhunde einen unerfreulichen Start ins Leben: Brandy, eine 12-jährige Ratero-Mallorquin Hündin, wurde in einer Nacht- und Nebelaktion aus einer Tötungsstation auf Gran Canaria befreit. Der zweijährige Max stammt aus der Tierrettung in Griechenland und ist ein Border Collie-Mischling.
Die zweite Lektorin, Sylvia Kaml, die auch für den Buchsatz verantwortlich war, ist hauptberuflich praktizierende Tierärztin. Sie durchleuchtete die Erlebnisse von Watson ebenfalls noch einmal auf ihre fachliche Richtigkeit. Im Gegensatz zu mir wusste sie zum Beispiel, dass man für einen durchweichten Impfpass nach geltendem Recht in Deutschland kein Duplikat mehr bekommt, sondern dass das Prozedere komplizierter ist.
Parallel übernahm die 19-jährige Enkelin unserer ehemaligen Nachbarn die Umschlaggestaltung des Buches. Aus ihrer Erinnerung zeichnete Esther Schnitzer die verstorbene Hündin ihrer Großeltern nach unseren Vorgaben als Cover. Nach der Textarbeit begannen Marketingleiter Robby Jünger, mein Mann und ich alles Weitere rund um das Buch abzustimmen, und da es bereits ein soziales Engagement für krebskranke Kinder seitens des Verlages gab, war es naheliegend für Watsons Welt im Bereich Tierschutz anzuknüpfen. In der Initiative Tierheimhelden fanden wir den idealen Partner und baten das Verlagsteam um Unterstützung für die gute Sache. Der Hybrid Verlag war sofort zu einer Kooperation mit der gemeinnützigen Organisation bereit. Der Geschäftsführer Paul Lung meint dazu: „Haikes Idee, mit diesem Buch die Initiative Tierheimhelden zu unterstützen, passt genau zu unserer Ausrichtung, mehr als einfach nur Bücher zu veröffentlichen. Wir freuen uns über die Möglichkeit, nicht nur Leser zu unterhalten, sondern auch gleichzeitig Tieren zu helfen.“
Gesagt, getan. Wir kontaktierten Daniel Medding, ebenfalls Tierarzt und Mitbegründer der Tierheimhelden. Das von ihm geleitete Projekt ist offizieller Partner des Deutschen Tierschutzbundes e. V. und agiert unter der Schirmherrschaft der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V.. Sein Team und er bieten unter anderem eine Internetplattform (www.tierheimhelden.de) zur Vermittlung von Tierheimtieren an. Dazu Daniel Medding: „Unser Angebot ist für alle Beteiligten kostenlos, weder für das Tierheim noch für die Suchenden wird eine Gebühr berechnet. Jedes Jahr werden Tausende Tiere mit Hilfe von Tierheimhelden.de erfolgreich bei der Vermittlung begleitet.“
Schnell stand fest: Der Hybrid Verlag und ich werden die Tierheimhelden mit 50 Cent pro verkauftem Taschenbuch unterstützen, denn über 300.000 Tiere suchen ein Zuhause – jedes Jahr! Durch die Online-Plattform wird die Suche nach einem Heimtier deutlich vereinfacht. Doch neben der Vernetzung von Tierheimen, Tierärzten und Tiersuchenden im deutschsprachigen Raum hilft Tierheimhelden den registrierten Heimen auch durch Spenden und Patenschaften.
Inzwischen arbeiten Daniel Meddings Team, der Hybrid Verlag und ich Hand in Hand. Im Mai dieses Jahres zum Beispiel starteten wir die monatliche Online-Aktion „Mit Watson durch das Jahr“. Jeden Monat posten die Tierheimhelden einen passenden Auszug aus Watsons Welt und veröffentlichen ihn zusammen mit einem Foto von Merlin. Denn der Labrador-Mischling von Robby Jünger hat sich „bereiterklärt“, für Watson Modell zu stehen. Gegen Zahlung einer kleinen Gage in Form von einigen Leckerlis und Streicheleinheiten von Frauchen Melanie übernimmt er diese Aufgabe gern. Seine eigentlich schwarze Brust wird hierfür im PC nachbearbeitet, damit er Watson optisch ähnlicher wird.
Mit vereinten Kräften hoffen wir, vielen in Not geratenen Tieren helfen zu können, die jeweilige Verweildauer im Heim zu verkürzen und ein dauerhaftes, liebevolles Zuhause zu finden.
Pdf zu diesem Artikel: tierheimhelden