Einleitung
Zur Vermeidung von Konflikten in der land-, forst- und jagdwirtschaftlichen Praxis haben sich Entschädigungszahlungen bei Schäden durch Wildtiere bewährt. In jüngster Vergangenheit wurde deshalb auch eine spezielle Schadensversicherung für den wieder in Österreich heimisch gewordenen Braunbären eingerichtet und besitzt für die zu erwartende Rückkehr des Wolfes in Zentraleuropa durchaus Modellcharakter. Tierhaare, die zum Beispiel in Exkrementen, an Baumrinden, Stachelzäunen oder gerissenen Beutetieren gefunden werden können, ermöglichen in den meisten Fällen eine Artbestimmung, weshalb die Haaranalyse auch bei Versicherungen und in rechtlichen Verfahren Anwendung findet. Beispielsweise werden zur Klärung von Schadensfragen in der Forstwirtschaft (Verbiß, Schälung etc.) am FIWI unter anderem seit vielen Jahren Haaranalysen zur Artbestimmung von Haaren pflanzenfressender Wildtiere
(z. B. Reh, Rothirsch) durchgeführt.
Zunehmende Bedeutung für Kompensationszahlungen
Zum Nahrungsspektrum des Wolfes gehören auch landwirtschaftliche Nutztiere (z.B. Schaf) und jagdbare Wildtiere (z.B. Reh, Hirsch), doch erfahrungsgemäß werden wildlebende Fleischfresser auch häufig zu Unrecht der Verluste bei Nutz- und Wildtieren bezichtigt, wie z. B. KELLER (1984) aus seiner langjährigen Praxis berichtet. Er konnte die untersuchten Haarfunde wesentlich öfter Hunden und Katzen als Füchsen und Luchsen zuordnen. Es kann erwartet werden, daß durch verstärkte Wanderbewegungen von Wölfen (Canis lupus lupus) auch in lange wolfsfreien Gebieten im Hinblick auf Gutachten für allfällige Kompensationszahlungen (bei erwiesenen Schäden durch das Wildtier Wolf) eine Antwort darauf zu finden sein wird, ob Haarfunde von Wölfen oder von Hunden stammen.
Typische Wildfarbe
Die Farbgebung des Haarkleides bei Wölfen wird in der Wolfs-Fachliteratur letzter Jahrzehnte als Gesamteindruck von Körperregionen oder gefärbten Bereichen beschrieben, wie z. B. bei GRZIMEK (1972) oder MECH (1970; in OKARMA, 1997), seltener auf der Ebene des einzelnen Haares. So soll das Wolfsfell „aus verschieden gefärbten Haaren, nämlich schwarz, grau, braun und weiß” bestehen. Unsere diesbezügliche grobsinnliche Untersuchung ergab jedoch eindeutig eine typische „Wildfarbe“ (auch Agouti genannt) mit abwechselnd hell und dunkel pigmentierten Zonen (Abb. 1) desselben Haares bei dunkler Haarspitze. Die oben zitierte Beschreibung mußte sich also auf ein einzelnes Haar beziehen, wie es sich durch TOLDT (1907, 1935) auch bestätigte.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß der farbliche Gesamteindruck einzelner Körperregionen der Wölfe auch von der Färbung der Unterwolle (weiß, rostbraun und grau; BIBIKOV, 1990) maßgeblich mitbestimmt wird. So erscheint durch die hellere Unterwolle im Winterfell das gesamte Tier einerseits heller, andererseits tritt der Kontrast zu den dunkler pigmentierten Anteilen des Fells stärker hervor. Nur an der hellen Körperunterseite, in der Region rund um das Maul und vereinzelt entlang des Rückens konnten einfärbig helle Deck- und Grannenhaare gefunden werden.
Über schwarze Wölfe in Polen wurde von SWIETORZECKI (1926) und NIEZABITOWSKI (1910) berichtet (in OKARMA, 1997). Diese werden in Europa übereinstimmend als Ausnahme von der Regel (nur graue Phase) angesehen (vergleiche auch ZIMEN, 1978 und BIBIKOV, 1990) – oder es wird die Möglichkeit einer Hybridisierung mit Hunden favorisiert – während bei den Timberwölfen (Canis lupus occidentalis) Nordamerikas Exemplare mit einfärbig schwarzem Haarkleid als relativ häufig gelten.
Praktische Anwendbarkeit
Diese Arbeit hatte zum Ziel, als Hilfe für einen Untersuchungsgang mit möglichst einfachen, kostengünstigen Methoden und möglichst hoher Diagnosegenauigkeit bereits bestehende Methoden der grobsinnlichen Erfassung und der mikroskopischen Haaranalyse kritisch auf eine praktische Anwendbarkeit für die Diagnose von Haaren Europäischer Wölfe sowie die Differentialdiagnose zu Timberwolf, Haushund und Goldschakal zu prüfen.
Die Haarabdrucke wurden mittels Aceton in 1,0 mm starken Kunststoffplatten (Ultraphan) hergestellt. Es folgte eine lichtmikroskopische Untersuchung bei Vergrößerungen um die Faktoren 100 bis 400.
Ergebnisse und Diskussion
Diese Arbeit zeigt, daß zur Unterscheidung der untersuchten Wolfs- und Hundehaare folgende Merkmale besonders hervorzuheben sind: Pigmentierung, Haarquerschnitt, Haarmark (Medulla) sowie Haaroberflächenstruktur (Cuticulaschuppenmuster). Die Untersuchung hat bestätigt, daß für eine vergleichende Betrachtung der mittlere Abschnitt des Haarschaftes von besonderer Bedeutung ist und daß kein Einzelmerkmal für eine hohe Spezifität (Diagnosegenauigkeit) genügte; es bedurfte vielmehr der Bestätigung durch weitere Charakteristika.
Gut bewährt hat sich die Kombination von makroskopischen und mikroskopischen Parametern, da die Herkunft von z. B. gewellten oder gelockten Deckhaaren (vergleichsweise von einem Setter oder Pudel), sowie durchgehend dunkel pigmentierten Haaren von einem Europäischen Wolf sehr unwahrscheinlich ist. Bei einer vergleichenden makroskopischen Betrachtung der unmittelbar nebeneinander aufgelegten Proben von dorsalen Leit- und Grannenhaaren des Europäischen Wolfes, des Tschechoslowakischen Wolfhundes und des Deutschen Schäferhundes konnte als einziges Unterscheidungsmerkmal die basale helle Pigmentierungszone (helle Haarbasis) dienen, welche nur für den Europäischen Wolf als charakteristisch zu bezeichnen ist. Der grobsinnliche Unterschied der wolfsartig gebänderten Huskyhaare zu Wolfshaaren der europäischen Unterart war durch eine subjektiv geringere Haarstärke, eine nahezu fehlende ockerfarbene Übergangszone sowie häufig weniger intensive Pigmentierung gegeben. Meist weisen Huskyhaare aber stärkere Abweichungen in der Pigmentierung auf, wie z. B. die zusätzlich zur basalen hellen Pigmentierungszone häufig fehlende proximale dunkle Pigmentierungszone.
Wenn auch bei unseren Proben die mikroskopischen Charakteristika (Cuticulaschuppenmuster, Markstruktur und Querschnitt) weniger deutlich ausgeprägt sind, so entsprechen die Ergebnisse im wesentlichen jenen von KELLER (1984). Der ovale oder auch bikonkave, manchmal dreieckige Haarquerschnitt ist nach KELLER (1984) das Beste zur Bestimmung vom Europäischen Wolf (Canis lupus lupus ) und zur Unterscheidung von allen anderen von ihm untersuchten Arten (bosnischer und mongolischer Wolf, heller und dunkler Timberwolf, Kojote, Goldschakal sowie der Haushunderassen Deutscher Schäferhund, Siberian Husky, Bouvier des Flandres, Berner Sennenhund, Korthals Griffon, Bernhardiner, Chow Chow und Zwergpudel). Zu erwähnen ist, daß er den bosnischen Wolf als eigene Unterart anführt (Canis lupus kurjak) und vereinzelt bei Merkmalen Unterschiede, vor allem im Haarquerschnitt (eher elliptisch, manchmal nierenförmig) und in der Schuppenform (in Form von Rauten) zum Europäischen Wolf gefunden hat.
Zusammenfassung
Zusammengefaßt kann gesagt werden, daß die Unterscheidung von Wolfs- und Hundehaaren auch mit einfachen Methoden mit einer hohen Diagnosegenauigkeit möglich ist, wenn die Kombination mehrerer Parameter als Grundlage dient. Für die Differentialdiagnose Goldschakal bleibt mit frischen Proben zu untersuchen, ob eine vergleichbare Situation wie beim Kojoten (Canis latrans) besteht, wie sie von KENNEDY (1982; in KELLER, 1984) beschrieben wurde. Demnach sei die Unterscheidung der Haare des Canis lupus von jenen des Canis latrans technisch nicht möglich (wohl aber dieser beiden Arten von Hunde- und Fuchshaaren).
>>> WUFF – INFORMATION
Haaranalyse bei Wolf und Hund:
Detektivische Kleinarbeit
Im Zuge einer Wolfstudie (BUBNA-LITTITZ, in Vorbereitung) angeregt, wurde auf dem FIWI nun erstmals eine haaranalytische Untersuchung bei Wolf und Hund durchgeführt, um für Rißbeurteilungen ein gewichtiges Indiz zu sichern. Die Haaranalyse kann in vielen Fällen eine wertvolle Hilfe für die Rißanalyse darstellen, indem bei einer sorgfältig durchgeführten Spurenaufnahme am Fundort toter Haus-, Nutz und Wildtiere gefundene Haarproben ihrer Tierart zugeordnet werden können. Sie ist daher als Teil der Rißbeurteilung anzusehen und nur eine sorgfältige Rißanalyse (z. B. nach KACZENSKY et al., 1997 a und b) kann bei möglichst vielen, noch unversehrten Spuren in detektivischer Kleinarbeit klären, ob der Wolf (oder Hund) auch tatsächlich der Verursacher eines Risses war oder dieser den Kadaver als Aasfresser genützt hat.
>>> WUFF – INFORMATION
Unter dem Mikroskop
Eine mikroskopische Untersuchung soll ganz allgemein bereits juridische Aussagekraft besitzen und eine Artdiagnose ermöglichen (BUDRAS, 1991; LIEBICH, 1993). Für eine, auf möglichst einfachen und kostengünstigen Methoden basierende Bestimmung in der Praxis wurde in dieser Arbeit ein auf mehrere Kriterien gestützter Untersuchungsgang gewählt.
FITZTHUM (1951) betrachtete beispielsweise unter besonderer Berücksichtigung von Wolf, Fuchs und Hund Markzylinder und Markscheiben unter dem Mikroskop. MÜLLER (1965) und SCHMID (1967) untersuchten zur Differenzierung von Hunderassen mehrere Kriterien, und zwar das Aussehen, Länge und Breite, die Cuticula, den Aufbau des Markstranges mit den Luftzwischenräumen und die Markscheiben (die annähernd die Form des Haarquerschnittes wiedergeben). KELLER (1984) hat für wildlebende und domestizierte Caniden (europäischer, bosnischer und mongolischer Wolf, heller und dunkler Timberwolf, Kojote, Goldschakal sowie acht Haushunderassen) einen Bestimmungsschlüssel für die mikroskopische Haaruntersuchung erarbeitet, der sich aus Merkmalen der Cuticula, der Medulla (Mark) und der Form des Querschnittes zusammensetzt, da er ebenfalls zum Ergebnis gelangte, daß die Einzelmerkmale für eine Artdiagnose nicht aussagekräftig genug sind. Für den Canis lupus lupus wurde die Form des Haarquerschnittes als elliptisch und auch bikonkav oder manchmal dreieckig angegeben und beim Wolf aus Bosnien, welcher als eigene Unterart angeführt wurde (Canis lupus kurjak), als elliptisch oder nierenförmig. DEBROT et al. (1982) haben den Querschnitt beim nicht genauer bezeichneten Wolf (Canis lupus) als rund beschreiben, weshalb in Kombination mit der lanzettförmigen Cuticularstruktur angenommen werden kann, daß in ihrer Arbeit der Canis lupus occidentalis untersucht wurde.
>>> WUFF – INFORMATION
Artdiagnose Wolfshaar
Diese morphologische Untersuchung umfaßt insgesamt 19 Deckhaarproben (nur Leit- und Grannenhaare) von Individuen der Species Wolf (Canis lupus) mit den Subspecies Europäischer Wolf (Canis lupus lupus; 4 Proben) und Timberwolf (Canis lupus occidentalis; 3 Proben), Haushund (Canis familiaris; 8 Proben) mit den Rassen Sibirischer Husky, Samojede, Deutscher Schäferhund, Slovensky Cuvac und einem Malamute-Schäfer-Husky-Blendling sowie Haushund-Wolfs-Hybrid (Canis familiaris mit Canis lupus occidentalis, 1 Probe, und Canis familiaris mit Canis lupus lupus, 1 Probe). Der beschriebene Canis familiaris-Canis lupus lupus-Hybride ist ein Vertreter der vom internationalen Kynologenverband (FCI) anerkannten Hunderasse Tschechoslowakischer Wolfshund. Ergänzend wurden auch vom Goldschakal (Canis aureus) 2 Proben untersucht. Die Haarproben stammen vom Tiergarten Hellbrunn bei Salzburg, vom Tiergarten Schönbrunn in Wien, aus der Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien und von Hunden in Österreich.
>>> WUFF – DANKSAGUNG
Danksagung:
Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Zimen für die freundliche Zurverfügungstellung des Wolfsportraits, Frau B. Gabriel, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Frau Dr. Herzig und Herrn Dr. Bauer vom Naturhistorischen Museum Wien für ihre Unterstützung sowie Frau Mag. U. Babinek und Frau J. Prazak für diverse Übersetzungsarbeiten von Fachliteratur.
Die ausführliche Bibliographie zu dieser Arbeit kann bei WUFF kostenlos angefordert werden. Senden Sie bitte ein mit Ihrer Anschrift versehenes normales Briefkuvert mit einer aufgeklebten S 7,- Briefmarke an WUFF, A-3034 Maria Anzbach.
Diese wissenschaftliche Arbeit wurde für WUFF gekürzt. Die ungekürzte Arbeit wird in 2 Teilen in forumVET®, Österreichs Magazin für Tierärzte, Ausgaben 9-10 und 11-12/1999 publiziert.